Im Rahmen der 37. Tagung über tropische Vögel wurde im tschechischen Zoo Pilsen der mit 555 Euro dotierte Preis für Tropenornithologie verliehen. Er ging an Lars LEPPERHOFF aus der Schweiz.
Ebenfalls wurde das Präsidium der GTO neu gewählt. Neuer Präsident ist Dr. Martin KAISER (Berlin), ihn unterstützen als Sekretär Norbert BAHR (Ahlden) sowie als Vizepräsidenten Dr. Martin PÄCKERT (Dresden) und Stephan M. HÜBNER (Frankfurt am Main). Schatzmeister bleibt Horst BRANDT (Gehrden). Als Ort der Tagung 2017 wurde Erfurt bekanntgegeben.
Im Vogelparadies
Über 500 Vogeltaxa, 555 Euro für Lars Lepperhof und ein neuer Vorstand:
Die 37. Tagung über tropische Vögel in Plzen
Sie war eine besondere Konferenz, diese 37. Tagung über tropische Vögel. Das lag zunächst am Ort, den die Gesellschaft für Tropenornithologie (GTO) ausgesucht hatte, denn der zoologisch-botanische Garten im tschechischen Plzen ist ein Mekka für Vogelfreunde. Das 21 Hektar große Hanggelände, dessen Erkundung manchem Tagungsteilnehmer die Puste raubte, birgt eine raritätengespickte Artenvielfalt, wie sie heute in Zoos selten geworden ist. Ende 2015 wurden in dem städtischen Park 1.269 Taxa bilanziert – an Tieren wohlgemerkt, denn der Pflanzenbestand umfasste zusätzlich rund 9.000 Taxa. Die Vögel schlugen dabei mit 522 Taxa zu Buche. Viele Arten sind in mehreren Unterarten vertreten – vom Jagdfasan (Phasianus colchicus) etwa werden zwölf Subspecies gehalten –, und auch über die Vielfalt innerhalb einzelner Ordnungen bekommt man einen hervorragenden Überblick. Wo sonst kann man beispielsweise 52 Tauben-Taxa, von EEP-Arten wie Socorro- (Zenaida graysoni) und Rosataube (Nesoenas mayeri) bis hin zu Spezialitäten wie Philippinen-Weißkehl- (Columba vitiensis griseogularis), Blaukopf- (Turtur brehmeri) oder Stephantaube (Chalcophaps stephani), vergleichen? Denn so sehr Zoos im Vergleich zu Naturkundemuseen als ethologisch-ökologische Vermittlungsorte punkten sollten: Es ist und bleibt faszinierend, an lebenden Individuen Vergleiche zwischen nahe verwandten Taxa anstellen zu können.
Faszinierend ist auch die Anlage des Zoos. Das Gelände ist im Wesentlichen nach geografisch-ökologischen Gesichtspunkten gegliedert, wobei es neben „Afrikanischer Steppe“, „Südamerikanischer Pampa“ oder „Australien“ auch Besonderheiten wie ein Haus für Tiere der Sonora-Wüste oder die „Unterirdische Welt“ mit Tieren aus Höhlen und Böden gibt. An mehreren Stellen entstanden Nachttierabteilungen, darunter eine für Tiere Madagaskars und eine für die Fauna des nächtlichen Afrikas. Es gibt eine begehbare Voliere für Vögel sibirischer Wälder, eine beachtliche Sammlung philippinischer Tiere, und anstelle einer klassischen Fasanerie hat man erstaunlich individuenreich besetzten Achteckvolieren dezentral über den Zoo verteilt und akkurat in das tiergeografische Konzept eingepasst. Die neusten Projekte des engagierten Zooteams, wie die Giftschlangenabteilung und das Mediterraneum mit Fischen und Reptilien des Mittelmeerraums, wirken ambitioniert, detailliert und modern, so dass zu hoffen ist, dass sich auch die unübersehbaren Altlasten bald erledigt haben werden.
Besonders war die Tagung aber nicht nur wegen ihres Orte, den sich übrigens GTO-Sekretär Robert Pfeifer gewünscht hatte. Für ihn war es die letzte Tagung als Vorstandsmitglied, denn nach 16 Jahren ehrenamtlichen Einsatzes für tropische Vögel trat er bei den in Plzen anstehenden Neuwahlen nicht wieder an. Selbiges galt für Präsidentin Corinna Bartsch, die der Gesellschaft 15 Jahre lang vorgestanden hatte (von 1996 bis 2005 und von 2010 bis 2016). Beide wurden während dieser Zeit zu großen, prägenden Persönlichkeiten der GTO, so dass dem Wechsel im Vorstand bei weitem nicht nur formale Bedeutung zukam. Zum Nachfolger Corinna Bartschs wählten die GTO-Mitglieder den bisherigen Vizepräsidenten Dr. Martin Kaiser. Er wirkt hauptberuflich als Vogelkurator am Berliner Tierpark Friedrichsfelde und ist dort für einen Bestand von fast 2.000 Vögeln in über 300 Taxa verantwortlich. Kaisers ornithologische Interessen gelten der Haltung und Zucht von Vögeln sowie ihrer Ethologie, Ökologie und Bioakustik. Seine Schwerpunktgruppen sind Kraniche, Greifvögel, Seeschwalben, Spechte und zentralasiatische Singvögel. In seiner Amtszeit will er sich nun vor allem der weiteren Vernetzung zwischen privaten und Berufsvogelhaltern widmen. Auf dem Posten des Sekretärs folgt Norbert Bahr (Ahlden an der Aller) auf Robert Pfeifer. Bahr wurde einem großen Publikum durch sein Werk „Die Vogelarten“ bekannt, dessen dritter Band grade in Vorbereitung ist.
Neu gewählt wurden im Folgenden auch die Vizepräsidenten und der Beirat der Gesellschaft: Dr. Martin Päckert, Sektionsleiter für Ornithologie an den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden und bisheriges Beiratsmitglied der GTO, agiert künftig als erster Vizepräsident. Stephan M. Hübner, Sprecher der unter anderem naturwissenschaftlichen Nachwuchs fördernden Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main, wurde das Amt des zweiten Vizepräsidenten übertragen. In diesem Rahmen übernimmt er die Redaktion des Vereinsrundschreibens „Tropenornithologie“ von Theo Kleefisch (Bonn). Nachfolger Martin Päckerts im Beirat wurde der bisherige Vizepräsident Dr. Christoph Hinkelmann (Lüneburg), der weiterhin den Forschungsfonds der GTO betreuen wird. Die übrigen Beiratsmitglieder – Hans-Josef Christ (Minden), Wolfgang Hoffmann (Nürnberg), Prof. Dr. Ulrich Schulz (Eberswalde), Josef Vandieken (Brakel-Instrup) und Ingrid Weikl (Nürnberg) – wurden in ihren Ämtern bestätigt, ebenso wie Horst Brandt (Gehrden), der seit 1981 als Schatzmeister die Finanzen des Vereins verwaltet.
Die dritte Besonderheit der 37. Tagung über tropische Vögel war schließlich die Verleihung des mit 555 Euro dotierten Preises für Tropenornithologie an einen der bekanntesten Papageienexperten der Gegenwart, an Lars Lepperhoff aus Ittingen in der Schweiz. Als Vertreterin der Jury überreichte Dr. Angelika Fergenbauer-Kimmel die Auszeichnung, die deutschsprachige tropenornithologische Publikationen von Amateuren würdigt und 2016 zum 22. Mal vergeben wurde. Das Preisgeld stiftete GTO-Mitglied Detlef Steinweg (Castrop-Rauxel). Lepperhoff erhielt die Ehrung für zwei Aufsätze, in denen er eigene Freilandbeobachtungen an Taubenhalsamazonen (Amazona vinacea; „Gefiederte Welt“, Hefte 4 und 5/2015) und Hyazintharas (Anodorhynchus hyacinthinus; „Papageien“, Hefte 1, 6 und 11/2015) beschreibt und in Bezug zu deren Volierenhaltung setzt. Dabei diskutiert er auch Ursachen und Lösungen für erlebte Misserfolge – unter Berücksichtigung der Erfahrungen verschiedener Züchter. „Lars Lepperhoff ist es gelungen, seine an verschiedenen Stellen gewonnenen Daten zu einer lesenswerten Gesamtschau zu verarbeiten“, resümierte die außerdem aus Prof. Dr. Jochen Martens (Mainz) und Theo Kleefisch bestehende Jury. „Wichtig, und das betont er immer wieder, ist ihm dabei die Beobachtung der Papageien im Freiland, denn hierin liegt für ihn der Schlüssel zu einer adäquaten Haltung. Besonders wertvoll sind seine Beobachtungen an den Taubenhalsamazonen, da diese in ihrem argentinischen und brasilianischen Verbreitungsgebiet fast verschwunden sind.“ Am Nachmittag vor der Preisverleihung hatte Lepperhoff bereits mit einem Vortrag über Lear-Aras (Anodorhynchus leari) geglänzt und in diesem Rahmen sowohl den Biotop der Tiere im brasilianischen Sertão als auch die Erhaltungszuchtmaßnahmen in Brasilien und Qatar (Al Wabra Wildlife Preservation) vorgestellt.
Insgesamt berichteten während der Tagung 14 Referentinnen und Referenten, auf dem Programm standen Haltungsthemen, Freilandberichte und Grundlagenreferate. Ein Höhepunkt waren die Ausführungen von Dr. Ernst Günther zum Themenkomplex „Tierbefreiung, Tierrechte – oder doch Ehrfucht vor dem Leben? Das Schicksal der Vögel in Natur und Voliere im Schutze moderner Tierethiken“. Demnächst wird bei Christ Media Minden Günthers neues Buch erscheinen, in dem er seine Forderung eines Ethos der Bewahrung alles Lebenden an zahlreichen Beispielen begründet.
Aus dem Haltungsbereich blieben vor allem die Vorträge von Inez Walter und Anton Vaidl in Erinnerung. Inez Walter ist Tierpflegerin am Tiergarten Schönbrunn in Wien und dort für das Wüstenhaus zuständig, das in einem denkmalgeschützten Pflanzenüberwinterungshaus aus dem Jahr 1904 entstand und vom Tiergarten in Kooperation mit den österreichischen Bundesgärten betrieben wird. Praxisnah berichtete Walter von Haltungserfahrungen etwa mit Madagaskarwebern (Foudia madagascariensis), Socorrotauben und Gestreiften Mausvögeln (Colius striatus), und scheute sich nicht, auch Problemen und Misserfolgen Raum zu geben. Anton Vaidl wiederum, Vogelkurator am Zoo Prag, beeindruckte mit einem virtuellen Rundgang durch die Vogelabteilung „seines“ Tierparks, die – wie in Pilsen – ein wahrer Raritätenhort ist. Doch wird auch dort nicht nur gesammelt, sondern auch gezüchtet, und Vaidl teilte interessante Details zur Fortpflanzung etwa von Rhinozerosvögeln (Buceros rhinoceros), Jamaika- (Amazona collaria) undRotspiegelamazonen (A. agilis). Komplettiert wurden die Haltungsthemen von Martin Kaisers Referat über die Haltung und Zucht des Rotrücken-Nachreihers (Nycticorax caledonicus manillensis) im Tierpark Berlin.
Aus dem Freiland berichteten Detlef Steinweg mit Reiseimpressionen von der westafrikanischen Atlantikküste und dort speziell vom Bissagos-Archipel vor der Küste Guinea-Bissaus sowie Dr. Christoph Hinkelmann mit Eindrücken aus Costa Rica. Immer wieder bietet Hinkelmann den GTO-Mitgliedern vogelkundliche Reisen in das mittelamerikanische Land an und präsentiert die dabei gemachten Beobachtungen in eindrucksvoll bebilderten Vorträgen. In diesem Jahr orientierte er sich an den costa-ricanischen Waldbiotopen und berichtete etwa über allopatrische Motmots (Momotus spec,, Electron platyrhynchum), über Quetzale (Pharomachrus mocinno), Dreilappen-Glockenvögel (Procnias tricarunculatus) und Schwalbenorganisten (Euphonia hirundinacea), die eine neue Phylogeniehypothese in die Nähe der Zeisige stellt. Ebenfalls aus dem Freiland berichteten Ariel Jacken (Mönchengladbach), der ornithologische Kostbarkeiten aus den thailändischen Nationalparks Kaeng Krachan und Khao Yai präsentierte, Ondřej Sedláček von der Universität Prag, der in die Berge Kameruns entführte und über seine Forschungen zur Biodiversität und Ökologie dortiger Vögel berichtete, und Libor Schröpfer (Holysov). Schröpfer zeigte im Auftaktreferat der Tagung, dass es auch im Böhmerwald interessante Vogelarten gibt, darunter eine beständig anwachsende Population von Bienenfressern (Merops apiaster), unregelmäßig brütende Rostgänse (Tadorna ferruginea) und ein Brutpaar Schreiadler (Clanga pomarina) als besondere lokale Rarität.
Abgerundet wurde das Programm durch einen Beitrag Martin Päckerts über die Systematik der Bülbüls (Pycnonotidae) und der Aussagekraft ihrer Augenfarben als systematisches Merkmal sowie von einem Grundlagenreferat Angelika Fergenbauer-Kimmels zu aberranten Färbungen von Vögeln und deren physiologischen Ursachen. Und nicht zu vergessen: der neue abendfüllende Vogelfilm von Carlos und Ingrid Struwe aus Bonn. Zum 16. Mal ließen sie die Tagungsteilnehmer an ihren einzigartigen, in ungeheurer Fleißarbeit auf Film gebannten Vogelbeobachtungen teilhaben, die sie fast immer in Brasilien anstellen. Heuer porträtierten sie gut zwei Dutzend Vogelarten aus zwei sehr gegensätzlichen Lebensräumen: aus dem atlantischen Küstenregenwald südlich von São Paulo, der Mata Atlântica, und aus dem semiariden Nordosten des Landes, der dem Publikum bereits aus dem Beitrag Lars Lepperhoffs bekannt war. Struwes konnten unter anderem umfangreiche Beobachtungen an einer Nisthöhle des Fleckschnabelarassaris (Selenidera maculirostris) festhalten sowie die Interaktionen zahlreicher Vogelarten mit den streng geschützten Jussarapalmen (Euterpe edulis) dokumentieren, deren Früchte für viele Tiere eine begehrte Nahrung sind.
Abschließen zu danken ist Tomáš Peš, der am Zoo Plzen unter anderem als Vogelkurator wirkt. Ohne sein großes Engagement – als örtlicher Organisator und guter Geist der Tagung, als Referent mit einem Vortrag über den Zoo Plzen und dessen Engagement im Artenschutz, aber auch als Veranstalter mehrerer durch große Sachkenntnis beeindruckender Zooführungen vor und hinter den Kulissen – wäre die Tagung ein großes Stück ärmer gewesen.
Postkriptum: Die 38. Tagung über tropische Vögel wird vom 14. bis 17. September 2017 in Erfurt stattfinden und gemeinsam mit der Gesellschaft für arterhaltende Vogelzucht(GAV) veranstaltet werden. Die Beiträge der Plzener Tagung sind derweil im illustrierten Tagungsband nachzulesen, der für 5 Euro bei GTO-Schatzmeister Host Brandt bestellt werden kann (schatzmeister@tropenornithologie.de).
Stephan M. Hübner
Unser Mitglied Jörg Asmus hat am 1. Oktober 2015 den Maria-Koepcke-Preis der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft (DO-G) erhalten. Dazu gratulieren wir herzlich!
Der Preis erinnert an Dr. Maria Koepcke (1924-1971), die in einzigartiger Weise Freilandstudien mit Beobachtungen an Volierenvögeln und mit Arbeiten an Sammlungsmaterial kombinierte. Dies spiegelt sich auch in ihrer Tätigkeit als Mitbegründerin zweier Forschungsstationen sowie als Leiterin der Abteilung „Vögel und Säugetiere“ am Museo de Historia Natural „Javier Prado“ in Lima wider.
In der Laudatio zur Preisverleihung heißt es: „Herr Asmus ist im Gegensatz zu vielen anderen bisherigen Preisträgern nicht beruflich ornithologisch tätig, sondern bearbeitet mit großem Engagement anspruchsvolle ornithologische Fragestellungen in seiner Freizeit. […]
Weil es ihm ein entscheidendes Anliegen ist, Vogelformen in ihrem ursprünglichen populationsgenetischen Kontext zu erhalten, statt diese phänotypisch immer weiter von ihrer Wildform zu entfernen, ist seine Arbeit in hohem Maße mit den klassischen systematisch-taxonomischen Untersuchungen an Museen verbunden. In Vorbereitung der von ihm initiierten oder begleiteten Erhaltungszuchtprojekte hat Herr Asmus die phänotypische Merkmalsvariation und die Abgrenzbarkeit der jeweiligen Vogelgruppen, vor allem von Papageien, intensiv studiert und darüber publiziert. […]
Seine Beiträge geben damit insbesondere in den Kreisen der Vogelzüchter wichtige Impulse für koordinierte und fachlich wohlbegründete Projekte zum Erhalt von Vogel-Wildformen in der Gefangenschaft. […]“