Manche Vogelarten findet man selbst in der Standardliteratur nur umständlich. Das Schwarzstirnfrankolin Francolinus atrifrons gehört dazu – was aber primär daran liegen mag, dass der Hühnervogel unlängst noch als Unterart des Braunnackenfrankolins F. castaneicollis galt. Ausschließlich in den Wacholder-Bergwäldern Süd-Äthiopiens verbreitet, gilt es wegen seines winzigen Verbreitungsgebiets und des starken Nutzungsdrucks auf dieses Habitat als ähnlich stark gefährdet wie das Wacholderfrankolin F. ochropectus. Letzteres wird in der Roten Liste der IUCN als „critically endangered“ eingestuft, und womöglich steht auch das Schwarzstirnfrankolin kurz vor dem Aussterben – noch bevor wir die Art besser kennengelernt haben. Denn zur Biologie und Freilandsituation dieser Vögel gab es bislang keine Untersuchungen, auch Volierenbeobachtungen fehlten. Deshalb fördert nun die Gesellschaft für Tropenornithologie (GTO) die Erforschung der kleinen Feldhühner mit Mitteln aus ihrem Forschungsfonds. Weitere Gelder stellte das langjährige GTO-Mitglied Annemarie LOHDING zur Verfügung.
Für das Projekt verantwortlich zeichnen die Ornithologen Dr. Till TÖPFER (Zoologisches Museum und Forschungsinstitut Alexander König, Bonn) und Dr. Kai GEDEON (Verein Sächsischer Ornithologen, Hohenstein-Ernstthal). 2012 hatten sie auf Berggipfeln zwischen den äthopischen Orten Mega und Moyale – einem sich gen Kenia erstreckenden, rund 150 km langen und maximal 15 km breiten Gebirgssystem – eine kleine Population Schwarzstirnfrankoline wiederentdeckt. Es war dies die erste Sichtung der Vögel seit den 1940er-Jahren. Im Mai 2013 reisten die Wissenschaftler, unterstützt von der GTO, erneut nach Äthiopien, um Vorkommensgebiet und Gefährdungen genauer zu erforschen.
Bioakustische Untersuchungen geben Aufschlüsse über Verbreitung und Populationsstärke
Das Ergebnis war die Entdeckung von drei neuen Vorkommen des Schwarzstirnfrankolins, alle nahe des Fundorts von 2012. Für zwei weiter entfernte Orte, an denen die Vögel um 1970 bzw. 2010 gelebt haben sollen, konnte ihre Existenz jedoch nicht mehr bestätigt werden. Damit konzentriert sich das sichere Vorkommen der Art auf fünf Gebirgsareale in einem Radius von nur etwa 25 km nordwestlich von Mega. Die Ergebnisse von Töpfer und Gedeon fußen dabei auf der akustischen Ortung der heimlich lebenden Hühner. Ihre scharf gackernden Rufe sind relativ laut und leicht von denen anderer Frankoline zu unterscheiden. Weiterhin galt es, so viele Sichtbeobachtungen wie möglich zu erhalten und Umfragen bei den Bewohnern des Mega-Gebiets durchzuführen. „Eine zuverlässige Bestandsschätzung ist dadurch aber noch nicht möglich“, so die beiden Forscher, „denn wir konnten zwar an den jeweiligen Vorkommenspunkten bis zu fünf Individuen sicher voneinander unterscheiden,
aber insgesamt nur zwölf Exemplare individuell nachweisen.“ Dennoch ist ihre Prognose ernüchternd: „Selbst wenn wir berücksichtigen, dass wir auf einen Teil der vorhandenen Tiere nicht aufmerksam geworden sind, wird der Gesamtbestand 30 bis 40 adulte Vögel kaum überschreiten.“ Auch die Lebensfähigkeit der Population ist schwer zu beurteilen – denn obwohl die Ornithologen erstmals einen Jungvogel der Art dokumentieren konnten, bleibt die Altersstruktur der Population unbekannt.
Parallel zu den Bestandsschätzungen erfassten Töpfer und Gedeon Landschaftszustand und -gefährdung. „Wir achteten besonders auf den Erhaltungszustand der Wälder, die Form der Bewirtschaftung sowie sonstigen Nutzungsdruck, vor allem durch Bejagung“, berichtet Gedeon. Schwarzstirnfrankolin-Biotope sind vor allem Gipfel oberhalb von 1.600 Höhenmetern. Die halboffenen Lebensräume sind trockener als die Savannen des Tieflands, typisch ist eine recht geschlossene Vegetationsdecke aus Gräsern und mittelhohen Dornsträuchern. Diese wird immer wieder von freiliegenden Gesteinspartien unterbrochen, welche die Frankoline gern als Sitz- und Rufwarten aufsuchen. Der ursprüngliche dichte Wacholderwald ist hingegen weitgehend verschwunden – Abholzung, Waldbrände sowie zunehmende Landwirtschaft und Viehzucht sind die Ursachen.
Das Schwarzstirnfrankolin ist einer der bedrohtesten Hühnervögel Afrikas
Die derzeitigen Aussichten für das Überleben des Schwarzstirnfrankolins schätzen Töpfer und Gedeon als düster ein. Nicht nur, weil das Habitat der Tiere weitgehend zerstört wurde, sondern weil die Vögel auch nach wie vor in Fallen erbeutet werden. „Obwohl keine historischen Bestandszahlen vorliegen, müssen wir davon ausgehen, dass diese Eingriffe die ursprüngliche Population drastisch reduziert haben“, resümiert Töpfer. „Aufgrund der vermutlich sehr geringen Bestandsgröße und wegen des hohen Bevölkerungsdrucks mit all seinen landschaftlichen Folgen gehen wir für die Frankoline von einer ausgesprochen kritischen Situation aus“, ergänzt Gedeon. „Halten Nutzungsdruck und Fang an und werden keine adäquaten Schutzmaßnahmen unternommen, ist das Schwarzstirnfrankolin in vermutlich zehn Jahren ausgestorben.“ Das Schwarzstirnfrankolin ist damit der wohl bedrohteste Hühnervogel Afrikas, seltener noch als das Wacholderfrankolin, dessen Bestand die IUCN auf 200 bis 500 erwachsene Vögel schätzt. Doch noch bleibt eine letzte Chance, das Ruder zu wenden.
Der GTO-Forschungsfonds
Die Unterstützung von Forschungsprojekten über (sub-)tropische Vögel ist eine wesentliche Aufgabe der GTO. Das Themenspektrum reicht von rein biologischen Fragestellungen bis zu Aspekten des Artenschutzes. Zentrale Schaltstelle der Förderaktivitäten ist der GTO-Forschungsfonds, dessen Mittel sich aus den Jahresbeiträgen der GTO-Mitglieder sowie aus zweckgebundenen Spenden speisen. Seit 1983 hat der Fonds 45 Projekte gefördert, zuletzt Untersuchungen zum Zugverhalten des Zwergsumpfhuhns Porzana pusilla intermedia im Senegal (Nina SEIFERT), eine ökologische Arbeit über den Seychellen-Vasapapagei Coracopsis nigra barklyi (Anna REULEAUX) sowie ein Schutzprogramm für Große Adjutanten Leptoptilus dubius und Ährenträgerpfauen Pavo muticus, das die Stiftung Artenschutz in Kambodscha durchführt. Antragsberechtigt sind Wissenschaftler ebenso wie engagierte Amateure.
Spenden an den Forschungsfonds sind unter folgender Bankverbindung möglich:
GTO, Betreff „Forschungsfonds“, Konto 0 007 004 468, Kreissparkasse Hannover, BLZ 250 501 80
Informationen zum Frankolin-Projekt: Dr. Till TÖPFER, Zoologisches Forschungsinstitut und Museum Alexander König Bonn, Tel. (0228) 9122-212, t.toepfer@zfmk.de
Informationen zum GTO-Forschungsfonds: Dr. Christoph HINKELMANN, Vizepräsident der GTO, Eisenbahnweg 5a, 21337 Lüneburg, Tel. (04131) 408580, vizepraesident@tropenornithologie.de